Spielbühne

Die SPIELBUEHNE in den Jahren zwischen 1996 und 2005

1996 beginnt mit Heinrich von Kleist`s Der zerbrochne Krug das literarische Theater der Spielbühne. Auf dem neuen Weg ist nun jedes Stück eine Herausforderung, nicht selten Wagnis und Zerreißprobe.
Stücke, die gedeutet werden wollen, eine individuelle Darstellung und Ästhetik verlangen (bis hin zur Gestaltung von Bühne, Plakat und Programmheft). Der Raum wird immer offener, vieldeutiger.
Insgeheim segelt das Team während angespannter Übungswochen unter der Flagge eines Ernst-Wendt-Wortes: „Verzage nicht, versteige dich. Je schlimmer eine Sache wird, desto besser kann sie auch gelingen“. Man fährt gut dabei – auf der Passage durch die Untiefen klassischer Dramatik des 19. und 20. Jahrhunderts.
Deutsche Komödien sind darunter: neben Kleist noch Schluck und Jau von Gerhart Hauptmann (1997),Leonce und Lena von Georg Büchner (2001), das wahnwitzige Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung von Christian Dietrich Grabbe im Jahre 1999 („Nein, ein richtiger Klassiker war er nie, der Grabbe. Aber der Velte und seine Schauspieltruppe, die sind inzwischen zu echten Klassikern avanciert. Zumindest in Wehrheim und Umgebung“, frohlockt Frank Diebel im Usinger Anzeiger).

1997 „Schluck und Jau“

1998 „Der Held der Westlichen Welt“

Da sind die irischen Stücke von John Millington Synge (Der Held der westlichen Welt, 1998) und Brendan Behan (Richards Korkbein, 2003). Die Russin Alla Sokolowa mit Farjatjews Phantasien, im Jahre 2000. Natürlich auch Ödön von Horváth`s Kasimir und Karoline, welches 2002 eine neue Darsteller-Generation vorstellt.

Daneben noch die Velte“schen Spielszenen, die Historie des Dorfes umkreisend, und am Kirchplatz, vorm Stadttor und im Bürgerhaus dargeboten: Ein Hexenprozess, Der Wehrheimer Michel, Leichenraub zu Wehrheim, Geschichte vom Kloster Thron, Ein Fürst kommt, Das Leonhardtsche Gesinde.

Eine Herzensangelegenheit ist schließlich das selbst verfaßte

Die Welt im Ebbelwei

– da debattieren, beim ersten Hessischen Apfeltag 2004, drei Eingeweihte ohne Rücksicht auf Verluste.

Manche Stücke werden in Marburg, Frankfurt und Uelversheim am Rhein gespielt. An den Hanauer Theatertagen nimmt man mit Büchner und Horvàth teil.

2004 und 2005 gehören dem

Loch im Kopf

von Wolfgang Deichsel. Es spielen – wie immer – „am Rande des Abgrundes“: Marie-Therese Gey, Densie Stahl, Matthias Mony, Philip Foerster, Michael Sommer und Olaf Velte. Kerstin Olschewski souffliert, Kathrin Leischner frisiert, Anne Velte schminkt, Martin Mayer gestaltet Licht und Ton & Martin Noz Plakat und Heft, Stefan Velte plant und vollendet den Bühnenraum. – Sie alle sollen stellvertretend für die vielen Frauen und Männer stehen, die dem Spielbühnen-Theater sein Profil gaben. Alle haben ihre Lebenserfahrungen und Weltsichten in die Proben eingebracht, selten verweilte man im „Reich des Schönen“: unter Spannung gehaltene Aufführungen waren die Folge. Bis in unsere Gegenwart reicht und trägt das Dichterwort.

Warum das Theater ? – Georg Hensel hat es einmal so beschrieben: „Welche Rollen wir auch spielen müssen, wir sind außer uns. Und wenn wir Glück haben, werden wir reicher an Empfindungen und Argumenten, an Schicksalen und Lebensbilanzen. So simpel ist das, so banal und schön“.

Das Theater zwischen 1970 und 1995

Seit den Anfangstagen gehört das Theaterspiel zu den Attraktionen der Landjugend. Wie aus der Chronik ersichtlich, wurden abendfüllende Stücke im Herbst und Winter (zu Erntedank- und Weihnachtsfeiern) aufgeführt. Das Publikum in den fünfziger und sechziger Jahren war begeistert vom Engagement der jungen Akteure, die auch vor schwierigen Aufgaben nicht zurückschreckten. Jahrzehnte später, 1995, haben einige Mitglieder dieser „Urbühne“ (jedoch ohne den verstorbenen, aber unvergessenen, „Grock“ Butterweck) sich noch einmal zusammen gefunden, um einige Szenen aus dem Datterich darzubieten.

1993 „Der Tartüff“

1970 hatte Gisela Ottich das Amt der Abteilungsleiterin inne, danach Waltraud Velte, bevor 1973 Bodo Streiffinger antrat – und ein Jahr später von Birgit Heimann abgelöst wurde. Die Gruppe trat mit Einaktern und Sketchen bei Veranstaltungen der Landjugend auf, viele Theaterbesuche standen auf dem Jahresprogramm.

Mitte der siebziger Jahre konnte keine eigene Theatergruppe mehr formiert werden – die Offene Jugendarbeit sprang hin und wieder in die Bresche (1974 war man mit einem Hans Sachs-Stück bei den Jugendtagen in Goslar).

Stephan Mayer übernahm im Jahre 1976 die Verantwortung und brachte frischen Schwung ins stagnierende Theaterhaus. Sofort ein Paukenschlag: zur Einweihung des Wehrheimer Bürgerhauses im November konnte ein eigenes Stück präsentiert werden. Fortan prägte das Ehepaar Ohlenschläger die Regiearbeit. So auch am 4. Juli 1978, als Doktor Murkes gesammeltes Schweigenvon Heinrich Böll zur Aufführung kam. Es spielten: Martina Zorbach, Simone Berndt, Iris Pogoda, Birgit Madlung, Stephan Mayer, Jörg Aigner, Manfred Seng, Olaf Velte, Herbert Heinzel, Günter Ohlenschläger.

Regelmäßig wurden in jenen Jahren auch Stegreif-Wettbewerbe im Bürgerhaus organisiert, zu diesen Theatervergleichen kamen Gruppen aus den umliegenden Gemeinden nach Wehrheim: „Improvisation“ hieß das Zauberwort. 1980 übernahm Jörg Aigner kurzzeitig die Leitung, dann führte Stephan Mayer die Abteilung bis 1984.

Im Jahr darauf wurde Olaf Velte neuer Gruppenleiter. Man arbeitete nun auf eigene Theaterabende hin, und im April 1986 war es geschafft: Unter der Regie von Stephan Mayer kam das erste abendfüllende Stück seit langer Zeit auf die Bühne. Christine Etzel, Jutta Heinzel, Petra Leifert, Andrea Hartmann, Liane Mony, Markus Rühl, Herbert Heinzel und Olaf Velte spielten Die Gosch, Bub! von Fitzgerald Kusz. Nun folgten Jahr für Jahr die „Frühjahrs-Stücke“ der Theatergruppe, immer mehr Darsteller bevölkerten die Kulissen, immer mehr Zuschauer nahmen Anteil: Mit Küchenbenutzung, Der Meisterlügner, Familienkrach im Doppelhaus, Maximilian der Starke, Der Wahlkampf, Umweltfieber, Der Meisterboxer.

1995 „Moral“ von Ludwig Thoma

Mit Der Tartüff, ein „hessischer Moliere“ von Wolfgang Deichsel, wagte man sich 1993 auf anspruchsvolles Terrain – und bestand die Prüfung ebenso wie zwei Jahre später: Zum zehnjährigen Jubiläum kam Ludwig Thoma`s Moral zur Aufführung, erstmals ohne Kulissenwände: Die Bühne des Bürgerhauses war weit geöffnet, es gab nur wenige Requisiten.

„Die Schauspieler haben mit viel Einsatz die komische und satirische Seite der Geschichte über die Rampe gebracht. Eine Aufgabe, die nicht einfach ist, weil Gefahr besteht, dass alles im Klamauk endet. Das passierte den Wehrheimer Akteuren nicht. Sie spielten das heraus, was zeitlos an dem Stück ist“, war danach in der Frankfurter Rundschau zu lesen.

Zwei verschiedene Richtungen hatten sich mittlerweile innerhalb des Ensembles entwickelt – fortan hatte die Landjugend zwei Theatergruppen mit unterschiedlichen Programmen unter ihrem Dach.

Olaf Velte